Samstag, 23. Juli 2016

Trans* ist "IN"

Das kommt mir manchmal in den Sinn, wenn ich wieder mal eine Anfrage von Rundfunk und Fernsehen lese, einen Artikel in der Zeitung sehe oder Netflix und Amazon mit neuen Eigenproduktionen aufwarten.

Natürlich hat diese neue Aufmerksamkeit positive wie negative Effekte.
Ich empfinde es als positiv, dass zumindest einige Begriffe bei meinem Gegenüber bereits bekannt sind. Das vereinfacht ein Outing enorm, weil man keine so komplizierte Einleitung mehr braucht.
Auch beim Arzt oder Friseur wird man nicht mehr wie ein Mondkalb betrachtet, sondern professionell und freundlich behandelt.

Als negativen Effekt habe ich den Eindruck, dass viele (nicht Betroffene) das eher als Trend sehen.
Dies bringt uns Betroffene gegenüber Ärzten, Krankenkassen und anderen Mitmenschen in eine Art seltsame "Beweispflicht".

Wann bin ich denn richtig transident?
Als Zutaten werfe man eine möglichst lange Vorgeschichte, eine kräftige Portion Leidensdruck, einen Schuß Papier (Arztbriefe, Gutachten, Lebensläufe usw.) und eine Prise Überzeugungskraft in einen großen Topf, rühre kräftig darin herum und mit etwas Glück (braucht man ja beim Kochen immer) ist der richtig transidente Mensch kreiert.

Was uns dann schnurstracks zur nächsten Frage führt:

Wann bin ich eine richtige Frau?
Am besten kommt es doch an, wenn wir als Betroffene einfach eine ganze Reihe von Klischees aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts aneinanderreihen (die Reihenfolge ist ziemlich egal, hauptsache nichts vergessen):

Lange Haare, Kleider, Röcke, schön bunt, Tücher, Absätze, Stimmlage, kein Alkohol, zurückhaltend, Strumpfhosen, Halsketten, Parfüm, Makeup, BH, Ohrschmuck, Haarentfernung, Kajal, Mascara, schüchtern, nicht rauchen, brav...
Die Liste bitte einfach ruhig weiter ergänzen...

Wer ist wirklich so?
Wenn die Liste für MzF dann auf eine ordentliche Länge angewachsen ist und man sich wirklich wie in einem Schwarzweißfilm vorkommt - dann... einfach mal die Lebensgefährtin angucken oder durch eine Fußgängerzone schlendern!

Das wahre Leben
Da laufen doch tatsächlich Frauen im Sommer mit kurzen Haaren in Hosen (muss man sich mal vorstellen!) und Turnschuhen (neudeutsch: Sneaker) nur mit einem Hauch Lipgloss, Kajal und Mascara (manche lassen auch das weg) mitten am hellichten Tag auf der Straße herum (teilweise rauchen sie auch noch und trinken sogar Bier)!

Spätestens dann wird klar, dass die Frau Modell 2016 nicht mehr so einfach in einen James Bond Film passt, wie Anno 1965.
Aber gerade das wird von vielen Transfrauen erwartet. Strumpfhosen und komplettes Tages-Makeup im Hochsommer bei dreißig Grad im Schatten.

Diagnosen
Sind schwierig - das ist mir auch klar. Aber es ist wirklich kein Spaß transident zu sein und der vielbeschworene Leidensdruck stellt sich nicht mal so eben ein - er ist immer da (mal mehr - mal weniger) und begleitet uns Betroffene durch das ganze Leben und wir wünschen uns das er endlich verschwindet.

Trans* ist nicht "IN" - Trans* ist schmerzhaft.

Alles ist gut
Auch wenn sich dieser Post mit einigen traurigen Aspekten beschäftigt, geht es mir trotzdem gut.
Aber leider ist gerade eine Horde Kinder in das Starbucks eingefallen und der Lärmpegel ist beachtlich angestiegen und meine Kaffeetasse ist auch leer.

Deshalb alles Gute denen die "richtig Trans*" sind und auch allen anderen Menschen ;o)

Birgit 

Dienstag, 19. Juli 2016

Hormonelle Verwirrung

Nach längerer Wartezeit hatte ich meine erste Spezialsprechstunde in der Spezialambulanz für Transsexualität im Universtitäts-Endometriosezentrum Franken (UEF), das zur Universitäts-Frauenklinik in Erlangen gehört.

Nach kurzer Suche (wirklich schlecht beschildert) bin ich doch tatsächlich in der richtigen Abteilung der Klinik gelandet und wurde bereits erwartet (ich kam aber nicht zu spät).
Die Schwestern in der Anmeldung waren sehr freundlich, und bald fand ich mich im Wartebereich auf dem Flur wieder.

Nach kurzer Wartezeit wurde ich zum Gespräch gebeten - und was soll ich sagen? ich habe gestern wieder einige neue Dinge gelernt, welche ich hier kurz aufzähle:

1. Um mit einer HrT beginnen zu können ist ein "Gutachten" eines Urologen notwendig.
2. Ich benötige zuerst das Gerichtsgutachten für die Vornamens-, und Personenstandsänderung zum Beginn der HrT. Die Schreiben meiner beiden behandelnden Ärzte wurden zwar wohlwollend betrachtet, aber sie genügen nicht, weil ich es mir ja noch anders überlegen könnte...

Jetzt darf ich auch noch einen Urologen suchen und den Abschluss des Verfahrens abwarten?
Ich bin ja wirklich ein geduldiger Mensch, aber ich muss sagen, dass es mich schon etwas ärgert. Im Vordergrund steht hier immer die persönliche Absicherung der Ärzte. Noch ein Papier und noch ein Papier und noch ein Papier. Krankenhäuser sind derart bürokratisch, dass sogar Ämter dagegen alt aussehen.

Die Annahme, dass sich alles noch ändern könnte teile ich nicht.
Schließlich bin ich nicht zufällig in Erlangen gelandet und es gibt eine Vorgeschichte.

Leider wundert es mich auch nicht mehr, warum viele Betroffene den gefährlichen Weg der Selbstmedikation aus dem Internet beschreiten - das "Verfahren" ist einfach furchtbar.
Trotzdem rate ich davon vehement ab - die Langzeitfolgen solcher "Experimente" sind nicht absehbar.

Aber: Nicht aufregen, das schöne Wetter genießen (in einem kühlen Biergarten mit viel Kultur) und den eingeschlagenen Weg mit Gleichmut weiterverfolgen.

Alles wird gut!

Birgit

Samstag, 16. Juli 2016

Trans*-Stress? oder - wie ich das Chaos organisiere

Ich hatte ja bereits vor einiger Zeit geschrieben, dass mich meine Transition an eine alte Dampflokomotive erinnert. Es dauert ewig, bis sie sich mal etwas bewegt, dann nimmt sie träge Fahrt auf und wenn sie mal rollt, dann rollt sie.

In den letzten Wochen war es wirklich etwas stressig, Outing bei einer guten Freundin, Psychotherapeut, Psychiater Logopäde und IPL- alles nacheinander. Für mich natürlich sehr positiv, aber neben Trans* gibt es ja auch noch meinen Beruf, soziale Kontakte und die kleinen Tücken des Alltags.

Heute ist wirklich der erste Tag, an dem ich etwas zur Ruhe kommen kann, um etwas zu schreiben und einen Kaffee zu trinken. Weil ich mich eh' gleich mit einer Freundin in der Stadt treffe, habe ich die freie Zeit natürlich auch zum Shoppen genutzt.

Als Star Wars Fan der ersten Generation (seit 1977) musste ich mir einfach das neue Parfum kaufen. Leider gibt es für Frauen nur Dürfte der Allianz (wo ich doch eigentlich eher Imperiale bin). Macht aber nichts - die Macht ist ab morgen mit mir.

Das kann ich auch brauchen, weil ich langsam den Überblick über meine ganzen Unterlagen und Termine verliere. Dann hat mir mein langjähriger Helfer Evernote auch noch angekündigt, dass jetzt nur noch zwei Geräte kostenlos sind. Der Preis und die Server in den USA haben mich doch nun tatsächlich davon überzeugt, zu Microsoft umzuziehen und OneNote 2016 zu benutzen (beruflich nutze ich das seit geraumer Zeit). Office 365 habe ich sowieso und die Server stehen nun bei der Telekom in Biere. Damit ich auch wirklich durchblicke, habe ich mir bei Thalia ein Buch gekauft.


Jetzt noch einige Seiten in meinem Lieblings-Starbucks lesen und ab morgen ist wieder Selbstdisziplin und ein Schönheitstag angesagt, weil ich am Montag nach meinem üblichen Termin beim Psychotherapeuten endlich einen Termin in der Universitäts-Frauenklinik in Erlangen für die Voruntersuchung zur Hormonersatztherapie (HrT) habe.
Natürlich bin ich schon total aufgeregt und weiß überhaupt nicht, was ich bei diesem wechselnden Wetter (und wegen der Untersuchung) anziehen soll.

Dazu muss auch noch mein Trans-Lebenslauf bis Montag zur Durchsicht fertig werden.

Aber - keep calm Biggi. (Mit Lesen wird es wohl nichts, weil meine Freundin schon dauernd schreibt, wo ich denn bleibe).
Also schnell raus aus dem digitalen Leben in das richtige!

Schönes Wochenende und drückt mir für Montag die Daumen, wenn ihr mögt.

Birgit

Samstag, 2. Juli 2016

Logopädie...

In dieser Woche hatte ich einen ersten Termin bei meiner Logopädin.
Ich war ja schon sehr gespannt, was auf mich zukommt und ob es wirklich eine Möglichkeit gibt, die Stimme zu verändern.

Sie hat mich positiv überrascht. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass es so anstrengend wird.
Die an sich eher simpel anmutenden Übungen verlangen meinen untrainierten Stimmbändern doch einiges ab.

Die erste Erkenntnis: Ich weiß jetzt ganz genau, wo meine Stimmbänder sind, weil ich sie jetzt fühle (Aua). Deshalb vorsichtig sein und nicht übertreiben.

Bad Voice Days
Es gibt sie - die "bad hair days". Das weiß jede Frau.
Aber nun weiß ich, dass es auch bad voice days gibt. Ich mache also täglich meine Übungen und meist geht es ganz gut und ich krächze nicht wie eine Krähe.
Zwischendurch gibt es aber Tage, da macht man vermeintlich alles richtig und trotzdem kommt nur ein Gekrächze raus. Kann schon mal vorkommen. Einfach drüberstehen und weiterüben.

Stress...
In der nächsten Woche habe ich eine ganze Menge Termine abzuarbeiten. Trans* kann schon stressig sein.

Deshalb trinke ich erstmal in Ruhe einen schönen, schwarzen Kaffee in einem meiner Lieblingscafes in der Innenstadt. Wegen dem Regen verzichte ich heute lieber auf das Südstadtfest und schalte vielleicht sogar mal den Fernseher ein, um unserer Mannschaft die Daumen zu drücken, obwohl ich wirklich kein Fan bin.

Aber vielleicht hilft es ja...

Grüße aus dem Cafe in dem die Pflanzen besser wachsen.

Birgit