Mittwoch, 27. Januar 2016

Meine Alltagstest-Nerv-Top 3

Heute wollte ich mal kurz aufschreiben, welche Umstände und Situationen mich im Alltagstest gerade am meisten nerven (damit meine ich jetzt keine Pöbeleien oder sowas, sondern alltägliche, kleine Dinge, die einem auf die Nerven gehen):

Meine Alltagstest-Nerv-Top 3
(Reihenfolge ist mir egal)

1. Kleidung kaufen
Hey! Kleidung kaufen??? das kann doch für eine Transfrau nicht schlimm sein oder doch?
Ich erklär mal warum.

Mit über 30 Jahren als Mann ist es gar nicht so einfach, einen eigenen weiblichen Bekleidungsstil zu finden. Weil ich weder verheiratet bin, noch Geschwister habe kann ich also auch nicht einfach Mama oder meine bessere Hälfte fragen, sondern bin auf mich selbst oder andere angewiesen.
Ausprobieren ist angesagt...

Oft werden in Online-Shops z. B. Oberteile nicht in Kombinationen mit anderen Kleidungsstücken angezeigt (z. B. Top und Jacke oder Cardigan oder Halstuch oder, oder, oder...) alles schön einzeln vielleicht noch ohne Model, so dass ich mir schon gar nicht vorstellen kann, ob mir das stehen würde.

Im Laden könnte ich zwar alles anprobieren... wenn da nicht die Damenumkleide wäre, bei der es fast immer Probleme mit dem Passing gibt und... wenn ich nicht allein wäre und nicht mit einer Vielzahl von Modellen und Größen in die Kabine müsste. Anprobieren - passt nicht bzw. steht mir  - nächstes Teil oder gleiches in anderer Größe ist da ja ohne "wieder anziehen - raus - holen - alles von vorn"nicht. Das macht keinen Spaß.

2. Toiletten
Gerade am Anfang (Frau soll sich ja ausprobieren) ist es überhaupt nicht witzig (gerade nach den aktuellen Ereignissen) komplett umgestylt in die Damentoilette zu gehen (hab auch noch keinen dgti-Ausweis um die Leute zu besänftigen).
In die Herrentoilette zu gehen kann aber noch viel weniger witzig werden. Deshalb ist entweder Körperbeherrschung oder "fasse Dich kurz" (beim Shoppen oder Ausgehen) angesagt.

Der Alltagstest ist gerade am Anfang mit miserablem Passing ein echter Spießrutenlauf.
Der Sinn ist aus ärztlicher/rechtlicher (wie auch immer) Sicht nachvollziehbar.
Trotzdem macht sich doch niemand absichtlich gerne zum Vollhorst.

Da könnten Ärzte und Psychologen bzw. Psychotherapeuten usw. schon etwas mehr tatkräftig helfen.
Menschen während der Begleitung erst Knicken zu lassen um sie danach wieder aufzurichten ist finde ich auch keine optimale Vorgehensweise.

3. Make-up & Styling
Da wir leider anders sozialisiert wurden, benötigen wir vielleicht in vieler Hinsicht etwas Nachhilfe.

Aber während sich in den USA und in GB schon einige Firmen auf Dienstleistungen für Trans*Menschen eingestellt haben und es sogar eigene Fachzeitschriften gibt, muss man sie in Deutschland mit der Lupe (dem Internet) suchen.

Warum z. B. Friseure, Kosmetikstudios, Nagelstudios und Modegeschäfte noch keinen Trans*-Friendly-Sticker haben, um sich neue Kundengruppen zu erschließen, verstehe ich nicht. Dabei denke ich gerade bei Frisur und Bekleidung auch an Transmänner.

So muss Jede(r) für sich das Rad neu erfinden und die Probleme und Fehler werden immer weiter mitgeschleppt oder immer wieder neu durchlebt. Dabei könnte wirklich vieles einfacher werden.

In den SHG sind die Hauptthemen oft Krankenkassen, Ärzte, Gesetze, Kosten, Operationsmethoden und Trans* Politik.
Das sind natürlich alles wichtige Themen. Auf der Straße zählt aber zuerst Passing.
Andere Dinge laufen für die Mitmenschen allenfalls nebenher oder kommen fast zum Schluß der Transition (z. B. GaOP).

Vielleicht sehe ich da aber auch was falsch - hab jedenfalls genug gemeckert.

Liebe Grüße

Birgit

PS: Wie seht ihr das? und was sind bzw. waren eure Alltagstest-Nerv-Top 3?

Sonntag, 24. Januar 2016

Hairwalk

Testosteron - der lautlose Killer
Gestern war ich seit längerer Zeit wieder mal beim Friseur.
Meine Haare sind für mich immer noch ein Riesenproblem, weil sie bereits derart Testosterongeschädigt sind, dass ich sie fast hasse.
Deshalb erachte ich Friseurbesuche eher als notwendiges Übel, anstatt Styling und Entspannung zu genießen.

Der Salon war sehr gut besucht, es brummte wie in einem Bienenstock. Trotzdem war die Atmosphäre nicht unangenehm. Einige Damen guckten schon etwas seltsam, als ich zur Beratung im Damenbereich Platz nahm. Aber ich tat so als bemerke ich es nicht.

Meine Friseurin hatte ich telefonisch bei der Terminvereinbarung schon informiert das ich Trans* bin.
Sie hatte damit vordergründig kein Problem, war aber trotzdem sehr vorsichtig, weil die erste Transfrau war, die sie stylen durfte. Außerdem kannte sie ja meine Haare noch nicht.

Aus diesen Gründen waren wir beide erst mal vorsichtig. Ich bekam wieder einen sauberen Schnitt und dazu feine blonde Strähnen. Als wir fertig waren, war ich merklich blonder als vorher. Am Anfang war es etwas ungewohnt und ich hatte Angst, dass ich übertrieben habe. Aber noch einem Tag hatte ich mich daran gewöhnt. Mal sehen, was meine Kolleginnen und Kollegen morgen im Büro dazu sagen.

Insgesamt war es gar nicht so schlimm, aber wenn sie mir den Spiegel vorhalten, bekomme ich trotzdem jedes Mal einen Schock, wie dünn mein Haar an manchen Stellen schon geworden ist.
Hoffentlich bekomme ich bald Hormone und hoffentlich wirken sich diese auch etwas auf meinen Haarwuchs aus. Es ist wirklich deprimierend.

Der Tag war gelaufen. Ich bin erst mal nach Hause und habe mich hingelegt.
Dieses Testosteron wirkt wie ein heimliches Gift, das über die Jahre bis in den hintersten Winkel des Körpers gelangt, wie Säure - ich hasse es.

Ich werde mich wohl doch mit dem Gedanken anfreunden müssen, irgendwann mit Haarersatz herumzulaufen. Das muss ich erst mal verarbeiten.


Dienstag, 19. Januar 2016

Psycho oder nicht Psycho?

Pathologisiert durch Psychotherapie?
Mit mittlerweile 42 Jahren dachte ich, sei an der Zeit, die nächsten Schritte auf meinem Weg zu gehen und deshalb habe ich jeweils zum ersten Mal in meinem Leben einen Psychiater und einen Psychotherapeuten aufgesucht.

Nach einigen Terminen bei meinem Psychotherapeuten habe ich für mich persönlich folgendes festgestellt:

1. Die ganze Angst vor dem Thema Psycho... und Pathologisierung war vollkommen unbegründet und ich hätte nicht so lange überlegen müssen.
2. Es hat schon einen Sinn (auch wenn viele Branchen von uns Transmenschen finanziell profitieren).
3. Es handelt sich wirklich um eine "Begleitung". Wunder, tiefgreifende Erkenntnisse usw. sind wohl eher nicht zu erwarten (da nimmt euch keiner was ab Mädels und Jungs - Tipps schon - machen selber.)

Nachdem ich meine Thesen zu diesem Thema nun auf das Blog genagelt habe, will ich noch etwas mehr dazu schreiben.

In meiner Familie und meinem ganzen Umfeld kam es seit jeher einer Katastrophe gleich einen Psycho*** was auch immer zu konsultieren. "So etwas macht ein normaler Mensch nicht!"
Deshalb war meine Hemmschwelle schon ziemlich hoch.
Ganz aus Spaß sollte man natürlich nicht erscheinen, weil da wahrscheinlich irgendwie, irgendwo immer irgendwas hängen bleibt. Aber da es mir wirklich ernst ist und mein Hausarzt eh schon Bescheid weiß...

Der Sinn besteht für mich zuerst darin, dass wir gezwungen werden uns auch mit negativen Erwartungen der Transition auseinanderzusetzen. Das klingt zunächst einmal hart, ist aber durchaus realistisch. Schließlich kann ein wenig Realismus, neben der Euphorie das es nun endlich weitergeht und der Ungeduld, warum es so viele Monate dauert nicht schaden.

Ich (meine persönliche Meinung - wie alles hier) warte und leide nun schon so lange, dass es auf die paar Pflichtmonate nun auch nicht mehr ankommt (vor der Pubertät sieht das natürlich ganz anders aus).

Die Ärzte wollen und müssen also teilweise endgültige Entscheidungen mehrfach hinterfragen, weil sie  a) tatsächlich eine Fürsorgepflicht haben b) Rezepte und Verordnungen nicht auf Verdacht ausstellen sollten und c) die Krankenkasse Behandlungen (Logopädie, Epilation, Hormone, GAOP) ja irgendwann bezahlen soll.

Was ich hinnehme, aber nur teilweise verstehe - wir müssen dazu natürlich krank werden - irgendwie, weil die Krankenkasse ja nur Geld für Kranke ausgeben kann. Das sollten wir nicht vergessen.

Ich habe für mich entscheiden, mich lieber ein bisschen Pathologisieren zu lassen, als weiter als Mann leben zu müssen. Vielleicht ändern sich die Rahmenbedingungen und die Gesetze einmal - aber heute ist es so und damit muss ich zurechtkommen.

Bei meinem ersten Besuch beim Psychotherapeuten hatte ich den irrationalen Wunsch - er klärt jetzt alles auf, begründet es toll, wedelt etwas mit den Armen und ich bin nicht mehr Trans*
Das ist natürlich absoluter Schwachsinn - aber es war kurz vor Weihnachten und da darf ich mir ja wohl was wünschen.
Für mich ist nämlich wichtiger geworden, mein Leben glücklich zu leben. Das Geschlecht könnte mir egal sein... ist es aber nicht! Ich hab Jahrzehnte als Mann gelebt, hatte alle Chancen und es geht mir gut. Aber es ist ein Leben mit gebremstem Schaum.

Also lasse ich mich von nun an von den beiden Herren solange "begleiten" wie es notwendig ist, bis ich meine Ziele erreicht habe. Dazu gehört auch der Switch von der Theorie in die Praxis.
Rausgehen, Outing, Alltagstest, Stress, Beruf, Frühling, Sommer, Herbst und Winter mit hoffentlich vielen positiven und weniger negativen Erfahrungen.

So, nun habe ich wieder viel schwere Kost geschrieben. Aber das nächste Mal gibt's etwas Leichtes - neue Frisur oder neue Schuhe, oder Schmuck, oder Kaffee, oder ... Versprochen!

Macht es gut.

Birgit